Der Aufsichtsrat
CSR: Neue Herausforderungen für Vorstand und Aufsichtsrat

CSR: Neue Herausforderungen für Vorstand und Aufsichtsrat

Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer

Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer
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„Nun sag‘, wie hast du’s mit der gesellschaftlichen Verantwortung?“, so lautet künftig die Gretchenfrage für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Gerade ist nämlich das sog. CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz verabschiedet worden. Danach müssen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften sowie Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, die bestimmte Größenmerkmale erfüllen und mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, ihren Lagebericht künftig um eine nichtfinanzielle Erklärung ergänzen. In dieser Erklärung ist das Geschäftsmodell der betreffenden Gesellschaft kurz zu erläutern. Darüber hinaus bezieht sich die Erklärung zumindest auf folgende Aspekte: Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Auch wenn große Kapitalgesellschaften schon seit 2004 über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren berichten müssen, betritt der Gesetzgeber mit diesem Reformgesetz in verschiedener Hinsicht Neuland. Die Zeiten, in denen Corporate Social Responsibility (CSR) auf freiwilliger Grundlage beruhte, sind jedenfalls in puncto Berichterstattung endgültig vorbei. Zwar kann die Gesellschaft im Wege eines „comply or explain“ auch künftig im Lagebericht erklären, dass sie hinsichtlich der genannten fünf Aspekte kein Konzept verfolgt, doch wird hier – anders als beim Deutschen Corporate Governance Kodex – gerade keine Abweichungskultur gefördert. Vielmehr verfolgt die Neuregelung mittels einer weichen Verhaltenssteuerung durch Transparenz handfeste gesellschaftspolitische Ziele: den Übergang zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft, die langfristige Rentabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz verbindet, wie es in den Erwägungsgründen der CSR-Richtlinie ganz unverhohlen heißt. Privatrechtlich organisierte Großunternehmen mutieren auf diese Weise wieder vom „private agent“ zum „public actor“ wie zu Zeiten des Konzessionssystems.

Die Zeit, sich hierauf einzustellen, ist knapp bemessen: Die neuen Vorschriften sind erstmals auf (Konzern-)Lageberichte anzuwenden, die sich auf ein nach dem 31.12.2016 beginnendes Geschäftsjahr beziehen. In der Verantwortung steht zunächst der Vorstand. Er muss sich im Wege einer CSR-Inventur vergewissern, inwieweit die genannten fünf Belange in seinem Unternehmen eine Rolle spielen, und hierauf aufbauend für eine schlüssige CSR-Strategie sorgen. Wie für Corporate Compliance, mit der es manche Überschneidungen gibt (Vermeidung von Corporate Social Irresponsibility), gilt auch hier: Corporate Social Responsibility ist Chefsache! Die grundlegenden Entscheidungen muss der Vorstand selbst treffen. Hiervon unberührt bleibt seine Möglichkeit, Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen nach allgemeinen Grundsätzen zu delegieren.

Darüber hinaus wird auch der Aufsichtsrat in die Pflicht genommen: Er muss den vom Vorstand aufgestellten Lagebericht mitsamt der nichtfinanziellen Erklärung prüfen. Eine inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung durch den Abschlussprüfer ist dagegen nicht zwingend vorgeschrieben. Durch eine Ergänzung des § 111 Abs. 2 AktG wird dem Aufsichtsrat aber ausdrücklich gestattet, eine externe inhaltliche Prüfung der Erklärung in Auftrag zu geben.

Aufmerken sollten schließlich auch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder jener Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich der Neuregelung fallen. Welche gesellschaftspolitische Bedeutung dem Fragenkreis inzwischen beigemessen wird, veranschaulicht die Webseite „csr-in-deutschland.de“, auf der die Bundesregierung sogar einen jährlichen CSR-Preis auslobt. Darüber hinaus hat sie vor wenigen Monaten den Nationalen Aktionsplan „Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020“ verabschiedet. Nicht alles wird zu neuen Rechtsvorschriften führen, doch steht zu erwarten, dass uns die verschiedenen Facetten von CSR – angefangen von Unternehmensspenden über die Abbildung in der Vorstandsvergütung bis hin zum Menschenrechtsschutz in Liefer- und Wertschöpfungsketten – auch unter juristischen Gesichtspunkten noch häufig beschäftigen werden.