Der Aufsichtsrat
Board of Directors – Kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit

Board of Directors – Kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit

Egon L. Lacher

Egon L. Lacher
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In den letzten Jahren hat sich die Diskussion um die Frage der Notwendigkeit von Beiräten (oder vergleichbaren Gremien) insbesondere für mittelständische Familienunternehmen in Deutschland verstärkt. Und zwar mit gutem Recht! Der Beirat ist aus vielen mittelständischen Gesellschaften nicht mehr wegzudenken. Jedes zweite Familienunternehmen in Deutschland profitiert inzwischen von der Expertise eines Beirats oder eines vergleichbaren Gremiums. Die Aufgaben sind komplexer geworden: Vom reinen Berater-Gremium hat sich der Beirat zu einem wichtigen Baustein erfolgreicher und nachhaltiger Unternehmensführung entwickelt (vgl. z.B. Achenbach/Gottschalck [Hrsg.], Beirat und Aufsichtsrat, 2016, S. 11 ff.).

Deutlicher kann man es kaum sagen! Und das ist nur auf die Unterstützung der deutschen Unternehmenszentrale bezogen – in einem wirtschaftlich-kulturellen Umfeld, das der Mehrzahl der Mitglieder der Geschäftsführung bekannt sein sollte. Trotzdem wird, wie man sieht, von Fachleuten auch hier die Notwendigkeit weiterer Expertise, Beratung und Unterstützung hervorgehoben.

Umso mehr sollte eine solche Unterstützung dann im weniger bekannten Umfeld ausländischer Märkte gesucht werden – insbesondere in den großen Märkten, deren erfolgreiche Bearbeitung entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des Gesamtunternehmens sein kann. Ohne Zweifel: Die USA und Lateinamerika werden, durchaus auch langfristig, zu den wichtigsten Wirtschaftsräumen für deutsche Unternehmen gehören.

Großunternehmen haben meistens weitgehend unabhängige Tochtergesellschaften im amerikanischen Markt und führen diese nach lokalen Regeln (monistisches/One-Tier-Modell). Der Board of Directors ist dann ein regulärer Bestandteil der täglichen Arbeit und verbindet immer mehr die traditionelle amerikanische One-Tier-Struktur des Board (management-geführtes Vereinigungsmodell) mit einer Two-Tier-Variante der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle, mit Unterstützung durch Non-Executive und Outside Directors (Audit Committee, Nomination und Compensation Committee).

Mittelständische Unternehmen tendieren jedoch häufig dazu, ihre Niederlassungen eher wie nationale Außenstellen/Vertriebsbüros zu steuern und gehen nicht selten davon aus, dass eine direkte Anweisungsstruktur von der Zentrale an die Geschäftsleitung der Niederlassung ausreichend ist. Sofern ein Board of Directors als legales Gremium überhaupt wahrgenommen wird (außer bei der „lästigen“ Unterzeichnung eines alle paar Monate von einem Anwalt vorgelegten Papiers mit der Überschrift „Minutes of Meeting“), ist es oftmals nicht mehr als ein Treffen zwischen dem Vertreter der Zentrale und dem lokalen Management, bei dem Informationen abgefragt und Anweisungen gegeben werden.

Einmal ganz abgesehen von den sich durch solche Strukturen/Vorgehensweisen möglicherweise ergebenden rechtlichen Problemen (Durchgriffshaftung), ist es eine verlorene Chance, in wichtigen Märkten lokalen Rat und tatkräftige Unterstützung zu finden. Aufgrund der zumeist eher limitierten Kenntnis vieler Unternehmen in diesen ausländischen Märkten sollte gerade dort solche Hilfe nachgefragt werden. Gebraucht werden Board-Mitglieder, welche nicht nur selbst Niederlassungen oder Unternehmen, etwa in den USA, geführt haben und somit die gesamte Breite der täglichen Fragen verstehen, sondern auch die wichtigste aller Fragen in den Niederlassungen – die leitenden Mitarbeiter – bewerten, unterstützen und gegebenenfalls austauschen können.

Der Board of Directors ist dabei eine einfache und zumeist kostengünstige Möglichkeit, erfahrene Berater vor Ort einbinden zu können. Und – nicht zu vergessen – ein international erfahrenes Board-Mitglied (speziell jemand, der in beiden Kulturen bewandert ist) ist oftmals die einzige Person, welche die Brücke zwischen den lokalen Akteuren und den (nicht immer besonders feinfühligen) deutschen Partnern in der Zentrale bilden kann. Ein externes Board-Mitglied mit der „richtigen“ Erfahrungsbreite und Persönlichkeit hat dabei vieles gemeinsam mit einem gestandenen Eheberater: Missverständnisse und Krisen glätten und teure Scheidungen vermeiden!