Der Aufsichtsrat
Vorschläge zur Änderung des DCGK

Vorschläge zur Änderung des DCGK

Prof. Dr. Wilhelm Haarmann

Prof. Dr. Wilhelm Haarmann
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Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 13.10.2016 Vorschläge zur Änderung des DCGK beschlossen und bis zum 15.12.2016 um Stellungnahmen gebeten. Diese Stellungnahmen wurden – was eine begrüßenswerte Neuerung ist – auf der Homepage der Kommission eingestellt. Auf einzelne Vorschläge soll im Folgenden in aller Kürze eingegangen werden.

Die Kommission schlägt vor, die Präambel des DCGK um das Leitbild des „Ehrbaren Kaufmanns“ und damit den Aspekt der Legitimität zu erweitern. Im Hinblick auf Vorkommnisse bei börsennotierten Aktiengesellschaften entspricht die Aufnahme moralischer Leitbilder dem Zeitgeist. Gerade für den ausländischen Leser dürfte die Figur des „Ehrbaren Kaufmanns“ aber nicht klar sein. Der inhaltlich sehr unbestimmte Begriff ist geeignet, Rechtsunsicherheit herbeizuführen und die Gefahr einer Überlagerung geltenden Rechts durch moralische Anforderungen mit sich zu bringen. Die Einordnung der Neuregelung in den ansonsten gesetzesbeschreibenden Absatz 2 der Präambel kann beim Adressaten zudem zu Fehlvorstellungen über die geltende Rechtslage führen. Sollte der Begriff des „Ehrbaren Kaufmanns“ in die Entscheidungsfindung von Gerichten Eingang finden, kann dies einen erheblichen Eingriff in das durch die Business Judgement Rule statuierte umfangreiche Ermessen der Organe zur Folge haben (so auch die Stellungnahme der Deutsche Bank AG).

Weiterhin wird vorgesehen, dass mehrjährige, variable Vergütungsbestandteile, die anteilig in die Berechnung der Abfindung eines vorzeitig ausscheidenden Vorstandsmitglieds einbezogen werden, nicht mehr vorzeitig ausgezahlt werden dürfen. Zu Recht sieht der Deutsche Anwaltverein darin eine Verkomplizierung von Abfindungsvorgängen. Diese kann dazu führen, dass Vorstandsanstellungsverträge bei rechtsgrundloser Abberufung nicht beendet werden und die volle Vergütung bis zum Vertragsende zu zahlen ist. Das eigentliche Ziel eines Abfindungscaps wäre dadurch verfehlt.

Beim Themenkomplex der Zusammensetzung des Aufsichtsrats findet sich unter anderem die Empfehlung, ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium zu erarbeiten. Da sich ein solches Profil schon aus den vorliegenden Informationen über die Mitglieder des Aufsichtsrats ergibt, bleibt offen, welche zusätzlichen Aspekte hier einfließen sollen.

Zudem soll der Aufsichtsrat bei seiner Zusammensetzung nunmehr auch die Eigentümerstruktur berücksichtigen. Das kann aufgrund der Stimmkraft der Mehrheitsaktionäre nur bedeuten, dass dem Aufsichtsrat stets Minderheitsaktionäre angehören sollen. Insbesondere in mitbestimmten Unternehmen würde dies zu einer zusätzlichen Lagerbildung im Aufsichtsrat und gleichzeitig zu einer Schwächung der Seite der Aktionärsvertreter führen.

Die bereits existierende spezialgesetzliche Verpflichtung für Kreditinstitute, ein Whistleblower-System einzurichten, würde nach den Vorschlägen der Kommission auf sämtliche vom DCGK erfasste Unternehmen erstreckt werden. Eine solche Regelung sollte aber nur der Gesetzgeber anordnen, da sie insbesondere das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verändert. Für die Aufnahme der Empfehlung in den DCGK besteht kein Anlass.

Auf Kritik stößt im Hinblick auf die Funktion des Aufsichtsrats im dualen System auch der Änderungsvorschlag über den Dialog zwischen Aufsichtsrat und Investoren. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Aufsichtsrat in seinem Kompetenzbereich auch mit Investoren sprechen darf, und ein solcher Dialog wird in den Stellungnahmen der Commerzbank AG und der Deutsche Bank AG auch prinzipiell begrüßt. Allerdings kann die Ausgestaltung des Kommissionsvorschlags als Empfehlung statt als Anregung dazu führen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende sich genötigt fühlt, das Ausbleiben von Gesprächen mit Investoren zu rechtfertigen.

Die aufgeführten Änderungsvorschläge der Regierungskommission führen gerade dort zu Unklarheiten, wo die Kommission ursprünglich die Klarstellung der Rechtslage beabsichtigt hat. Es stellt sich die Frage, ob nicht der Zweck des Kodex, geltendes Recht für Unternehmen und Investoren verständlich und transparent zu machen, durch komplizierte und unklare Regelungen konterkariert wird.